2017 július 06. - Pfingsten 2017


Ein Stück Ungarn lebt in Kastl

Quelle: Mittelbayerische.de

 

Das ungarische Gymnasium auf der Burg war viele Jahre ein wichtiger Teil der Marktgemeinde. Ehemalige Schüler kehrten zurück. 

 

Klosterburg, 10.30 Uhr, düstere Wolken am Himmel und es regnet unaufhörlich. Überall parkende Autos und unendlich viele Menschen drängen durch das enge Tor der Burgumfriedung. Stimmengewirr, doch nicht in deutscher Sprache! Heute wird hier Ungarisch gesprochen. Wie Gábor Czibulás sagt, findet an diesem Pfingstsonntag das Treffen zum 58. Jahrestag des Ungarischen Gymnasiums statt. Ausrichter des Treffens ist der Absolventenverein des Ungarischen Gymnasiums, der unter dem Namen Burg Kastl Alumni eingetragen ist, wie die Vorsitzende Enikö Jákli-Kovács erklärt.

 

Die Klosterburg hat eine bewegte, jüngere Geschichte. Zur Zeit des 2.Weltkrieges wurde hier von den Nationalsozialisten eine Art Lebensborn eingerichtet, in dem Kinder von ermordeten, slowenischen Eltern als „arische“ Kinder aufwachsen sollten. Seit 1958 gab dann die Gemeinde Kastl dem Gymnasium und etwa 200 ungarischen Schülern eine neue Heimstatt.

 

György Müller, der heute Bürger von Kastl ist, war von 1959 bis 1967 Schüler des Gymnasiums und kehrte 1979 als Lehrer an dasselbe zurück. Er unterrichtete Sport, Kunst sowie Volkstänze und die Holzschnitzkunst. Von seiner Holzschnitzkunst kann man sich an diesem Tag überzeugen, denn im Gewölbegang der Burg steht eine beachtliche Ausstellung seiner Schnitzwerke zur Ansicht.

 

Ein weiterer Teilnehmer des Treffens ist Gábor Czibulás. Er zeigt sich als ein wahres Lexikon zur Tradition des Ungarischen Gymnasiums und seiner Geschichte. Er selbst gehörte zum Jahrgang 1959, der als erster das Gymnasium absolvierte. Rückblickend spricht er über die Zeit des Anfangs, da auch viele Kinder ohne Eltern nach Kastl kamen, die nicht einmal der deutschen Sprache mächtig waren und hier eine Heimat fanden. Den Kindern entsprechend waren die Klassen meistens gemischt. Nur teilweise gab es reine Mädchenklassen, da ihre Anzahl relativ gering war. „Es war eine schöne und glückliche Zeit“, erinnert sich Czibulás. Für viele der Absolventen sei das Gymnasium zu einer großen Familie geworden, zu der sie auch heute noch enge Kontakte pflegen. Die gute Verbindung zur Gemeinde Kastl hebt Gábor Czibulás besonders hervor, beispielsweise, dass einmal die örtliche Fußballmannschaft unter Mithilfe der Abiturienten der Klosterburg in eine höhere Spielklasse aufsteigen durfte.

 

Er verwendet das Wort „Integration“, das man damals überhaupt nicht kannte. Aber für sie, die Absolventen, war es einfach Ehre und Pflicht, sich in die Gesellschaft zu integrieren, indem sie gut lernten, die Sprache beherrschten und erfolgreich in Berufe einstiegen. Czibulás spricht von 76 Prozent. Diese Zahl beschreibt, wie viele Absolventen des Gymnasiums anschließend ein Studium abschlossen. Er lächelt, als er vergleichend die heutigen Probleme der Integration betrachtet. Mit Bedauern spricht er über die finanziellen Probleme und die Ungereimtheiten, die 2006 das Ende der Schule erzwangen.

 

 

Hans-Jürgen Hennig


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Gábor Czibulás überreicht Bürgermeister Stefan Braun ein Präsent der Absolventen

des ungarischen Gymnasiums.

Quelle: Mittelbayerische.de,  Foto: Hennig